Freitag, 22. Dezember 06
Ich erreiche nach 290km und
rund drei Stunden Fahrt die Grenze zu Togo.
Die Abwicklung der
Formalitäten verläuft absolut normal und ich atme kräftig auf als mir der
togolesische Grenzbeamte den Einreisestempel gibt.
Ich freue mich, dass ich so
gut aus Burkina Faso ausreisen konnte und weiß natürlich immer noch nicht was
dort passiert ist. Ich halte in der ersten Stadt bei der Tankstelle.
Als ich mein Motorrad wieder
starten will um weiterzufahren, passiert etwas Unglaubliches.
Der Starter dreht durch und
hört nicht mehr auf sich weiterzudrehen und zu starten. Es beginnt zu stinken
und unter meinem Tank kommt Rauch hervor!
Ich kann gerade noch den
Tankwart davon abhalten mich und das Motorrad mit dem Feuerlöscher zu besprühen.
Nach einer ersten
Schrecksekunde nehme ich den Tank herunter und sehe den Schaden.
Ein wahrscheinlich defekter
Starter hat meine Elektrik vom Startrelais bis zur Batterie und zurück zum
Starter abgebrannt. Das ist so schon einer der unwahrscheinlicheren und schwieriger zu behebenden Schäden, die man
unterwegs haben kann!
Wenn ich Pech habe sind
neben dem Starter und dem Kabelbaum jetzt auch das Startrelais, die
Diodenplatte sowie die Lichtmaschine im Eimer.
Das würde einiges kosten und
kann wahrscheinlich nicht ohne Ersatzteile aus Europa und fachmännische Hilfe
in einer echten Werkstatt behoben werden. Eigentlich Scheiße!
Als ich so neben meiner
Maschine sitze und nachdenke heitert sich meine Stimmung aber schnell wieder
auf. Wer weiß wozu das gut war. Das einen das Schicksal so außer Gefecht setzt
kann eigentlich nur gut für einen sein.
Wer weiß, vielleicht hätte
einige Kilometer weiter, in Form eines umkippenden Lasters oder sonst einer
Gefahr der Sensenmann auf mich gewartet.
Obendrein hätte sich meine
Elektrik auch wesentlich ungünstigere Plätze zum Abbrennen aussuchen können.
Ich denke an die einsame Westsahara oder an die so ungewisse Situation in
Burkina Faso gerade eben.
Was nun passiert geht so
schnell, dass ich keine Möglichkeit habe irgendetwas zu beeinflussen.
Der Besitzer der Tankstelle
hat soeben mit einem Polizisten den Verkehr aufgehalten und sich zu einem
Lastwagen durchgefragt der bereit ist mich samt Motorrad nach Lome mitzunehmen.
Die Männer heben meine
schwere Maschine binnen Sekunden auf die Ladefläche. Oben
befinden sich bereits Säcke
mit Zwiebeln und Tomaten sowie einige Ziegen.
Vor uns liegen nun rund
600km bis nach Lome. In der Hauptstadt gibt es die
einzige wirklich moderne Kfz Werkstatt in ganz Westafrika. Sie wird seit fast
20 Jahren von Toni betrieben, einem Österreicher.
Mein Plan war es ja
ursprünglich diese Werkstatt wegen neuen Reifen anzufahren. Jetzt muss ich
hoffen, dass ich dort mein Motorrad wieder fahrbereit bekomme.
Die nun folgende
Lastwagenfahrt wird sicher ein Erlebnis und ich hoffe, dass wir unfallfrei
durchkommen.
Ich nehme direkt neben dem
Fahrer Platz, zusammen mit dem Besitzer des Lastwagens, der den Fahrer beaufsichtigt
aber nicht selber fährt. Dazwischen eingequetscht nimmt noch ein Freund des
Besitzers Platz, der keine andere erkennbare Aufgabe hat außer die Luft mit
Zigarettenqualm zu vernebeln.
Die Fahrt beginnt um halb 6
Uhr abends.
Pünktlich zum Einbruch der
Dunkelheit dreht der Fahrer das Radio auf. Die Lautstärke ist dermaßen hoch,
dass von den Motorgeräuschen des MAN Diesels auch bergauf nichts mehr zu hören
ist. Das will was heißen.
Zwischen anderen Lastwagen,
Fußgängern und Fahrrädern bewegen wir uns mit einer Geschwindigkeit zwischen 20
und 50 Km/h.
Immer wieder müssen wir bei
den zahlreichen Zoll und Polizeikontrollen anhalten und der Fahrer muss für
alle möglichen, nicht nachvollziehbaren Dinge bezahlen.
Bei einer dieser Kontrollen
stehe ich direkt daneben. Das scheint die Polizei nicht zu stören. Der Polizist liegt in einem Liegstuhl neben
der Strasse und ruft den Fahrer. Er schnippt mit seinen Fingern und deutet Geld
her. Wie viel Geld sagt er nicht. Als ihm der Mann 1000 CFA gibt deutet er noch
mal Geld her. Bei den nächsten 1000CFA ist er zufrieden, das Geld verschwindet
in seiner Brusttasche und ohne aufzustehen deutet er uns lässig weiterzufahren.
Diese Begegnungen bleiben
einem normal als Tourist erspart, wenn man sie aber so wie ich mitbekommt,
sagen sie sehr viel aus über ein Land und die Willkür der dortigen Behörden
gegenüber den Bewohnern.
Samstag, 23. Dezember 06
Im Morgengrauen droht dann
der Fahrer neben mir einzuschlafen. Wir fahren durch den Frühnebel und
plötzlich fällt sein Kopf nach vorne. Ich greife sofort aufs Lenkrad und halte
geradeaus, doch er lacht und sagt das ist normal in der Nacht. Manchmal ist er
eben sehr müde aber er hat alles unter Kontrolle. Das ich uns vielleicht gerade
vor einem Unfall bewahrt habe scheint ihm nicht bewusst zu sein.
Die Lastwagenwracks neben
der Strasse sprechen jedenfalls einen deutliche Sprache, so meine ich.
Kurz darauf erwacht auch der
Besitzer des Lastwagens aus seinem Schlaf. Er ordnet aufgeregt an zu halten.
Ich nehme an, er wird nun selber fahren und dem Mann sagen, dass er anhalten
soll wenn er zu müde ist.
Weit gefehlt, die Sonne geht
auf im Osten und das ist die Zeit für das Morgengebet.
Die Männer sind Moslems. Sie
rollen ihre Teppiche aus, waschen sich die Füße und beginnen zu beten. Mitten
auf der Fahrbahn. Wenige Zentimeter neben ihnen fahren ungebremst die Lastwagen
vorbei.
Zehn Minuten später geht die
Reise weiter. Im nächsten Dorf angekommen nehmen wir dann auch noch einen
Passagier mit. Mit drei toten Hühnern und zu fünft! sitzen wir nun in der
Kabine und mir bleibt die Luft zum Atmen weg. Es ist so eng, dass ich mich
keinen Zentimeter bewegen kann. Eines der gerade erst geschlachteten Hühner
verrichtet dann auch noch seine letzte Notdurft. Zum Glück nicht auf mir.
Plötzlich macht der
Lastwagen eine seltsame Kurve und das Lenkrad neben mir beginnt unruhig zu
laufen und zu schlagen. Der Fahrer ist diesmal hell wach und wie es aussieht
hat unser rechtes Vorderrad eine der scharfen Asphaltkanten am Straßenrand,
über die beim Ausweichen immer gefahren wird, nicht überlebt.
Wir halten an und wechseln
den Reifen. Mit wenig technischer Unterstützung, dafür aber mit afrikanischer
Kraft. Es ist beeindruckend zu sehen mit welcher Energie die Männer zu Werke
gehen und die schwere Arbeit erledigen.
Nach rund 22 Stunden und 600
Kilometern erreichen wir Lome am späten Nachmittag.
Dort angekommen verkaufen wir natürlich zuerst einmal die mittlerweile halb
verdursteten Ziegen.
Ein Kunde wird angesprochen,
ein Taxi gerufen und die Ware umgehend verladen.
Etwas später ist die
Lastwagenfahrt auch für mich vorbei. Wir laden mein Motorrad vor der Werkstatt
von Toni Togo ab.
Leider geht aber noch heute
Abend sein Flug nach Europa. Toni wird wie jedes Jahr ein Team von KTM bei der
Rallye Dakar betreuen und für rund 4 Wochen nicht in Togo sein.
So haben wir leider nicht
die Möglichkeit länger miteinander zu reden. Eigentlich schade, den er ist
Österreicher und ich bin seit Bestehen seiner Werkstatt der erste Österreicher,
der hier mir dem Motorrad heruntergefahren ist.
Mein Problem zu beheben
könnte jetzt schwierig werden. In Lome gibt es außer
Toni kaum einen anderen Mechaniker der sich wirklich mit der Elektrik eines
Fahrzeuges so gut auskennt, dass er aus einem abgebrannten Kabelbaum wieder ein
zuverlässig arbeitendes System aufbaut.
In Europa wäre das nicht so
entscheidend, wenn mir aber durch eine schlecht reparierte Elektrik die
Maschine in Nigeria oder Angola wieder abbrennt, habe ich ein ernstes Problem.
Dort habe ich wesentlich
weniger Möglichkeiten als hier.
Sollte keine zeit- sowie
kostentechnisch vertretbare Reparatur machbar sein, wird die Maschine nach
Namibia verflogen und dann dort von BMW wieder in Stand gesetzt. Das entspräche
zwar nicht meinem ursprünglichen Plan, mein Ziel ist es aber um die ganze Welt
zu kommen, und dem entsprechend müssen Zeit und Geld kalkuliert werden.
Die Teile aus Europa plus
deren Versand über DHL könnten sich im schlechten Fall schon weit über 1000
Euro bewegen. Die Teile per Post zu versenden wäre zwar billiger, würde jedoch
ca. drei Wochen dauern und ich hätte Probleme mit dem Zoll, der dann
Importgebühren von mir verlangen würde.
Ich werde jetzt einmal
versuchen den vorhandenen Starter sowie den Kabelbaum zu reparieren oder
eventuell hier Ersatzteile aufzutreiben.
Sollte das nicht möglich
sein, werde ich die Kosten und Zeitfaktoren der anderen Möglichkeiten
gegeneinander abwiegen und mich entscheiden.
Morgen ist aber einmal
Weihnachten, und ich freue mich schon darauf die Feiertage bei Chez Alice zu
verbringen. Eigentlich dem bekanntesten Treffpunkt für Reisende in ganz Afrika.
Hier waren schon Leute wie
die bekannten Weltumradler Claude Marthaler
oder Clemens Carle zu Gast.
Alice ist mittlerweile schon
über 70 und seit fast 30 Jahren hier. Wenn man in ihre Herberge kommt fühlt man
sich eigentlich sofort zu Hause.
Ich würde heute noch gerne
länger mit ihr plaudern, nach aber mittlerweile zwei schlaflosen Nächten falle
ich müde ins Bett.
Sonntag, 24 Dezember 06
Heute erkundige ich mich
gleich in der Früh was eigentlich in Burkina Faso passiert ist wie ich dort
war. Die Leute hier sind total erstaunt, dass ich nicht weiß was los war. In Togo
ist das Fernsehen voll mit Berichten über die Situation gewesen.
Auf jeden Fall hat ein
Polizist einen Soldaten erschossen und darauf hat das Militär eine Mobilmachung
nach Ouagadougou in Gang gesetzt und Kampfhandlungen gegen die Exekutive
vorgenommen.
Die Streitkräfte haben in
der eigenen Hauptstadt! 20 Polizeistationen angegriffen und angezündet sowie
zusätzlich die Gefängnisse geöffnet und über 60 Schwerverbrecher freigelassen!
Diese Männer konnten bei ihrer Befreiung auch Waffen mitnehmen, sozusagen als
„Geschenk“ für die Polizei um es ihr schwerer zu machen die Gangster nachher
wieder einzufangen. So eine verrückte Situation ist selbst in Afrika nicht
alltäglich.
Nicht zu Unrecht ist man
über die Sicherheit des Landes nun ernsthaft besorgt, der Konflikt zwischen
Militär und Polizei hat sich zwar wieder beruhigt, die Verbrecher und
Umstürzler sind aber weiterhin auf der Flucht und gefährlich.
Diese Geschichte zeigt mir
deutlich, dass es zwar hoch interessant ist Afrika zu bereisen und die unterschiedlichen
Kulturen und Sichtweisen der Menschen zu erfahren, dass es aber keine Form von
Regeln und Sicherheiten gibt, nach denen man sich richten kann.
Thomas Bernhard hat einmal
gesagt, dass wir Europäer der Neuzeit geometrisch denken und keine Ordnung in
einer Form sehen, die jegliche Regelmäßigkeit vermissen läst.
Gerade dieses Chaos ohne
erkennbare Formen bestimmt aber das Leben in ganz Afrika.
Das sollte man nie vergessen
wenn man sich mit Afrika auseinandersetzt und es bereisen will. Akzeptiert man
diese Regel in der Regellosigkeit und ist man sich auch der damit verbundenen
Gefahren bewusst, dann erwarten einen viele interessante Begegnungen und
Eindrücke. Und vielleicht auch die Chance vieles was die Menschen hier tun
besser zu verstehen.
Nach diesen philosophischen
Überlegungen gehe ich dann gleich mal laufen.
Es ist ein besonderes
Erlebnis, wenn man am heiligen Abend am Strand und unter Palmen seinen
besinnlichen Weihnachtslauf absolviert.
Am Abend feiern wir alle
gemeinsam Weihnachten und machen ein großes Fest. Es kommt eigens eine
Musikkapelle und die Stimmung ist ausgezeichnet.
Sogar einer der rund 78
Söhne des Präsidenten spielt in der Band. Er ist der Bassist und nur der
Leibwächter hinter ihm weist auf seine Herkunft hin.
Ich treffe heute noch einen
anderen Österreicher, den berühmten Ethnologen, Afrikaforscher und
Journalisten, Professor Gert Chesi.
Neben seiner Freundschaft
und jahrelangen Zusammenarbeit mit Albert Schweitzer in Lambarene
ist der Professor eine international anerkannte Kapazität im Bereich der
afrikanischen Voodookultur. Er ist Autor vieler bekannter Fachbücher und
Publikationen und lebt hier in Lome. Hier ist einer
der Plätze in Westafrika, in denen die Tradition des Voodoo besonders stark
verwurzelt ist. Im Februar kommt ein ORF Team und wird einen Bericht über seine
Arbeit drehen.
In Schwarz in Tirol gibt es
ein Museum, dass einen breiten Querschnitt der Arbeit und Forschung Gert Chesis unter anderem über dieses Gebiet zeigt.
Ich freue mich sehr darüber,
dass wir uns an diesem Abend ein wenig miteinander unterhalten können.
Alles in allem verbringe ich
heute einen wunderschönen heiligen Abend. Zwar leider nicht im Kreise der
Familie und Lieben daheim, dafür aber ganz herzlich aufgenommen hier in Lome.
Montag, 25. 12. 2006
Am Morgen gehe ich laufen
und über den Tag an den Strand.
Den Abend verbringe ich
wieder mit sehr interessanten Gesprächen.
Professor Chesi kommt zu Besuch und erzählt von seinen früheren Afrikareisen.
Damals vor 40 Jahren ist er
noch alleine mit dem VW Bus durch die Sahara gefahren und hat wohl einen ganz
anderen Eindruck von der Kultur und den Menschen bekommen.
Wir sprechen über die
Probleme der fehlenden Selbstkoordination der heutigen westafrikanischen
Staaten und die Entwicklung im Laufe der Kolonialzeit.
Frantz Vanon,
einer der gedanklichen Väter von Che Guevara hat in einem seiner Werke versucht
solche Entwicklungsprozesse und Veränderungen von Völkern zu erklären.
Aufgrund der langen
kulturellen Unterwerfung durch die europäischen Kolonialherren, sowie der
willkürlichen Aufteilung der Länder ohne Rücksicht auf Völker und Lebensräume,
haben viele afrikanische Völker ihren eigenen ursprünglichen Bezug zu ihrem
kulturellem Hintergrund verloren. Weißes Gedankengut und weißes Handeln war
allgegenwärtig und wurde daher als richtig und erstrebenswert betrachtet.
Einfacher zu verstehen wird
dieser Prozess dann, wenn man bedenkt, dass es in der ursprünglichen, an den
Lebensraum angepassten Kultur Afrikas immer wichtig war kollektiv zu denken.
Nie war das einzelne Individuum von Bedeutung, immer nur der ganze Stamm bzw.
das ganze Dorf. Ein Häuptling hat selbstverständlich seine Tochter geopfert,
wenn er meinte mit diesem Blutopfer die Götter gnädig zu stimmen um seinem Volk
eine reiche Ernte zu bescheren.
Auch war es
selbstverständlich, dass jeder Stamm seinen Reichtum und sein Ansehen in der
Würde und im Besitz seines Königs sah. War der König reich und mit viel Gold
geschmückt, ging es auch seinem Volk gut. Jeder Einzelne war durch eigene Mühe
und auch Entbehrung bestrebt diesen Prozess zu unterstützen.
Selbstkoordination und
Eigeninitiative waren nie gefragt.
Durch den Einzug der Weißen,
war eben alles Dominierende von nun an weiß.
Als grundeigenstes
Naturgesetz gilt das Gesetz der Anpassung von Lebewesen an neue Lebensumstände
und genau das ist geschehen, die Menschen haben sich angepasst und von nun an
versucht dem neuen Ideal gerecht zuwerden. Leider
sehr oft unter Selbstaufgabe ihrer eigenen Identität, Werte und Hautfarbe.
Das geht soweit, das es
heute selbstverständlich ist, dass ein afrikanischer Staatschef wirtschaftliche
Zuwendungen von Internationalen Konzernen bereitwillig einstreift,
prestigeträchtige Geschäfte mit Weißen macht die ihn alleine Bereichern und
seinem Land wenig bringen. Er steigt gut aus, die internationale Wirtschaft
steigt besser aus und das Volk bekommt nichts. Wirklich hinterfragt wird das
aber selten, weil kaum einer kritisch und eigenständig über das Handeln eines
Oberen denkt.
Das ist schon ein
interessanter Ansatz, der hilft vieles hier besser zu begreifen.
Dienstag, 26. Dezember 2006
Heute führt mich mein Weg
ins Büro der Immigration. Ich habe nur ein für 7 Tage gültiges Transitvisum und
werde es aufgrund meiner unerwarteten Motorradprobleme in ein Touristenvisum
umwandeln.
Wie es aussieht werde ich
hier in Togo mehr Zeit als erwartet verbringen.
Den restlichen Tag über bin
ich in Lome und sehe wieder mal was richtig schwitzen
bedeutet.
Wenn die Sonne hinter den
Dunstwolken verschwindet und die Luftfeuchtigkeit auf 95 Prozent steigt, glaube
ich mich im heimatlichen Dampfbad in Oberlaa wiederzufinden.
Die Leute scheint das hier
nicht weiter zu stören, sie legen sich einfach dort hin wo sie gerade sind und
schlafen eine Runde.
Mittwoch, 27. Dezember 2006
Heute muss ich wieder ins
Büro der Immigration um mir mein Visum und meinen Pass abzuholen. Ich komme wie
bestellt um 16 Uhr und es herrscht totales Chaos.
Auf dem Tisch liegen rund 100
Reisepässe und pro Stunde werden maximal 4 davon bearbeitet.
Offensichtlich besteht keine
Möglichkeit den Pass noch heute mitzunehmen, weil einfach nichts weitergeht.
Nach rund einer Stunde
werden dann alle Wartenden des Gebäudes verwiesen und müssen solange draußen
warten bis sie aufgerufen werden.
Als der Beamte dann
irgendeinen russisch klingenden Nahmen nennt, auf den sich niemand meldet
antworte ich einfach mit Da, Da Karascho!
Einmal wieder im Büro des
Immigrationssekretärs sage ich, dass ich gerade aufgerufen wurde und nenne
meinen richtigen Nahmen. Da der Mann drinnen keine Ahnung hat was draußen
eigentlich vorgelesen wird, und ich wohl berechtigt daran zweifeln darf, dass
sich irgendeiner der genannten Nahmen wirklich unter den draußen Wartenden
befindet, fällt mein Schwindel nicht auf.
Kein Problem sagt der
Beamte, sucht meinen Pass raus und gibt ihn mir zurück. Drinnen ist zum Glück
auch schon der Stempel mit dem Visum. Gültig für ein Monat.
Es ist zwar traurig, aber
ohne Frechheit ist hier wirklich nichts zu holen und außerdem habe ich fast
zwei ganze Tage dafür aufwenden müssen um den Stempel in meinen Pass zu
bekommen. Das nennt man dann afrikanische Bürokratie.
Am Abend fahre ich zurück
zur Herberge und werde Zeuge eines grausamen Unfalls. Ein Familienvater, seine
Frau sowie seine beiden Kinder fahren mit einem Moped auf der Hauptstrasse in
Richtung Lome. Die Frau trägt ihr Kleinkind in ein
Tuch gewickelt auf dem Rücken. Natürlich
hat niemand einen Helm.
Das Moped ist nur schwach
beleuchtet und im Lichtermeer der entgegenkommenden Lastwagen von hinten
eigentlich fast nicht zu sehen.
Beladen mit 4 Personen ist
die Geschwindigkeit des Zweirades wohl kaum höher als 30 km/h.
Von hinten nähert sich ein
Bus mit ungefähr der dreifachen Geschwindigkeit und es kommt zum tragischen
Zusammenstoß.
Das Moped und die sich
darauf befindliche Familie werden durch die Luft geschleudert.
Der Vater und der ältere
Sohn bewegen sich nicht mehr, die Frau und das kleine Kind sind nirgends mehr
zu sehen. Sie sind von der Strasse geschleudert worden.
Der schuldige Busfahrer
verringert die Fahrt nicht im geringsten sondern gibt Vollgas. Er begeht
Fahrerflucht, ob bzw. wie oft er gerade zum Mörder geworden ist scheint ihm
egal zu sein.
Da er wie die meisten ohne lesbare
Nummer fährt kann ihn auch niemand identifizieren.
Das ist manchmal so
unbegreiflich hier, würden die Menschen etwas weiterdenken und in ihren
Handlungen auch eventuelle Konsequenzen sehen, wäre vieles Vermeidbar.
Eigenverantwortung im Denken
ist wirklich nirgends vorhanden.
Der Straßenverkehr ist, wie
wenn man Kinder mit scharfen Waffen Räuber und Gendarm spielen lässt.
Russisches Roulett.
Ich verbringe heute einen
nachdenklichen Abend.
Donnerstag, 28. Dezember 2006
Heute morgen geht’s wieder
auf die Laufstrecke und dann treffe ich mich mit Sean.
Sean ist Elektriker und wird
mit mir gemeinsam versuchen den Schaden an meiner Maschine zu beheben.
Er ist einer der wenigen
Handwerker in Afrika, die eine Ausbildung auf europäischem Niveau durchlaufen
haben und er wurde mir von Rüdiger empfohlen, einem deutschen Autohändler in Lome, der sich auf den Import von Gelände und Luxuswagen
spezialisiert hat.
Sean und ich gehen zunächst
einmal einkaufen. Wir brauchen einen alten Kabelbaum um die abgebrannten Kabel
durch neue zu ersetzen.
In der Stadt gibt es einige
Libanesen die alle möglichen Unfallautos ausschlachten. In so einem Geschäft
bekommen wir auch den Kabelbaum.
Wieder in der Werkstadt
angekommen beginnt ein wahrer Marathon. Sean setzt sich mit mir vor die
Maschine und wir beginnen sofort mit der Arbeit.
Sieben Stunden arbeiten mir
ohne Pause durch. Ein geschmortes Kabel nach dem anderen wird herausgeschnitten
und dann an dessen Stelle eines von den Neuen eingelötet.
Als wir gegen Abend dann den
Kabelbaum neu verlegt haben untersuchen wir den Starter.
Dieser dreht sich zwar
verlässlich durch, zieht sich aber nicht mehr zurück, nachdem er an die
Schwungscheibe des Motors greift.
Wir zerlegen den Starter und
schmieren ihn wieder kräftig durch. Danach geht er wieder.
Das Startrelais allerdings
funktioniert nicht mehr. Der Startversuch, der dann schließlich zum Abbrennen
der Elektrik geführt hat dürfte also durch ein defektes Startrelais in
Verbindung mit einem steckengebliebenen Starter
hervorgerufen worden sein. Dumm aber durchaus verständlich. Wenn 30 Ampere
Batteriestrom ohne durchs Relais geleitet zu werden voll in die Kabel des
Motorrades laufen, dann wirkt das wie ein Schweißgerät.
Als alles fertig zusammen
gebaut ist, kommt nun der spannende Moment. Wir starten die Maschine. Der
Batteriestrom fließt wieder und der Motor startet ohne Probleme beim ersten
Versuch.
Wir sind alle recht freudig
überrascht als plötzlich einer der anderen Mechaniker Stop
schreit.
Ich drücke sofort den Notaus und rechne schon mit einem neuen Abbrennen der
Elektrik. Doch es passiert etwas anderes. Eine der Zuleitungen des Ölkühlers
ist undicht geworden und ich verliere Motoröl.
Auf meiner Lastwagenfahrt
haben die Männer die Ziegen am Motorrad festgebunden. Anscheinend hat eines der
Tiere dabei meine Ölleitung etwas zu arg bearbeitet und sie ist undicht
geworden.
Wir brauchen also eine neue
Zuleitung für den Ölkühler und die muss erst angefertigt werden.
Heute wird das nichts mehr.
Es ist mittlerweile Nacht geworden und wir machen morgen weiter.
Freitag, 29. Dezember 2006
Sean holt mich um 7 Uhr ab
und wir fahren mit dem Taxi zur Werkstadt. Nachdem wir die defekte Ölleitung ausgebaut
haben geht es zum Spezialisten. Die Firma dieses sogenannten
libanesischen Spezialisten liegt im Hafen von Lome.
Die Hitze und Schwüle drücken extrem und die unvermeidliche, für afrikanische
Industriegebiete typische Mischung aus Öl, Abfall und Schrott pflastert die
Sandstrassen.
Vor einigen verrosteten
Royce Rolls Schiffsmotoren steigen wir aus dem Wagen und betreten eine
Wellblechhütte. Hier werden alle Arten von druckresistenten Schläuchen für
Schiffe und Lastwagen hergestellt. Wie erwartet verlangt der Patron einen so
verrückten Preis, dass ich mich umdrehe und wieder gehen will, nach der
Intervention von Sean, den ich zurückhalten muss, weil er mit dem unseriösen
Patron schon zu streiten beginnt, einigen wir uns aber auf einen Preis.
Im Laufe des Vormittags
gelingt es natürlich nicht einen dichten Kühlerschlauch zu fabrizieren und wir
müssen am Nachmittag wieder kommen. Das Ergebnis ist dann aber zufriedenstellend. Als wir den Schlauch montieren und die Maschine
starten ist alles in Ordnung.
Nur der linke Zylinder
klingelt plötzlich arg.
Ich warte etwas zu bis der
Motor abgekühlt ist und schaue mir das Ventilspiel an. Eine Einstellschraube
hat sich regelrecht festgefressen. Als ich sie öffne stelle ich fest, dass sich
das Gewinde durchgedreht hat und ich jetzt eine neue Schraube brauche.
Das ist ja wie verhext,
schon die dritte Panne innerhalb einer Woche.
Die Schraube wird ein mäßig
schlimmes Problem darstellen. Da die Polizei hier die gleichen Motorräder
fährt, kann ich diesen kleinen Teil hier vielleicht sogar bekommen. Einer der
Mechaniker kennt vielleicht wen der wieder wen kennt... Sonst muss ich eben
über DHL arbeiten.
Auf jeden Fall habe ich
einen neuen Freund gewonnen. Sean hat sich heute so für mich und für mein Geld
eingesetzt, dass er fast mit dem Libanesen zu raufen begonnen hätte.
Als ich ihn für seine Arbeit
bezahlen möchte sagt er, dass er gerne 15 Euro hätte. 15 Euro für mehr als zwei
Tage Arbeit sind echt recht wenig. Ich gebe ihm das Geld und schenke ihm meinen
zweiten, alten Leathermantool, den ich als Reserve
mitgenommen habe.
Sean ist überglücklich.
Samstag, 30. Dezember 06
Als ich heute morgen wieder
auf meine Laufstrecke am Strand gehe erwarten mich natürlich schon mehr Leute als
bei den ersten Malen. Es hat sich anscheinend herumgesprochen, dass ein
sportlicher Tourist in der Gegend ist und die Händler laufen mir nach und
wollen mir ihre Waren verkaufen.
Als ich dann auf eine etwas
einsamere Stelle komme, läuft plötzlich ein Mann neben mir der versucht meinen
Arm zu packen, mich laut anbrüllt und meint, White man, give
me money!
Als wir offensichtlich beide
gerade versuchen uns zu entscheiden ob das jetzt ein Überfall oder ein Spaß
werden soll erhöhe ich das Tempo aufs Maximum.
Für mich wird die Situation
jetzt jedenfalls ein Spaß. Im recht tiefen Sand kann der Mann meiner
Geschwindigkeit nicht folgen und ich lasse ihn fluchend zurück.
Schon verrückt und etwas
ärgerlich. Wegen diesem Idioten muss ich jetzt meine tolle Laufstrecke aufgeben
und wo anders rennen gehen. Wenn er jetzt weiß, dass ich schneller laufen kann
als er, denk er sich sicher bis zum nächsten Mal was anderes aus.
Was, will ich gar nicht
herausfinden.
Am Nachmittag fahre ich noch
mal in die Werkstadt und frage ob jemand meine Schraube auftreiben konnte. Wie
erwartet wird das aber erst nächste Woche möglich sein.
Heute ist Tabaski und alle Moslems feiern ihren Neujahrsfeiertag.
Alle anderen nicht Moslems nehmen die Feierstimmung natürlich zum Anlass um ebenfalls
nichts zu arbeiten.
Kurz gesagt, die nächsten
drei Tage geht hier nichts mehr weiter.
Im Hof der Werkstadt brennt
mittlerweile ein Feuer und die Männer bereiten gerade alles für die
traditionelle Schlachtung der Schafe vor.
Den Tieren wird die Kehle
durchgeschnitten und sie werden kopfüber aufgehängt.
Das Blut rinnt in eine Grube
im Boden und die Kinder springen freudig herum.
Andere Länder, andere
Sitten!
Sonntag, 31. Dezember 06
Heute laufe ich woanders am
Strand und es ist genauso nett. Einzig die Stimmung ist etwas aufgeheitert.
Die Männer saufen schon seit
Weihnachten mehr oder weniger ohne Pause und heute Abend ist Silvester. La
Fete.
Überall am Strand wird
billiger Fusel verkauft und die Geschäfte mit dem Alkohol gehen bestens. Ab
1000CFA, also 1,80 Euro ist man mit einer Flasche Schnaps dabei. Am Vormittag
sehe ich schon die ersten Alkoholleichen.
Egal ob Moslem oder nicht,
beim Trinken sind sich alle einig. Das macht die Feiertage hier nicht ungefährlich.
Der Straßenverkehr wird noch verrückter und die Kriminalität und Raubüberfälle
auf den Strassen nehmen dann am stärksten zu, wenn die Leute kein Geld mehr für
Alkohol haben. Eigentlich sehr traurig.
Ich verbringe die
Silvesternacht bei Chez Alize im Rahmen einer
lustigen Party.
Eine Tanzgruppe aus dem Dorf
tritt auf und es gibt jede Menge zu lachen.
Montag, 1. Januar 2007
Das Jahr 2007 wird natürlich
traditionell mit einem Neujahrslauf begrüßt. Ich mache mich auf den Weg und
wünsche jedem den ich auf der Strasse treffe ein frohes neues Jahr.
Manche der Leute haben
allerdings eine Fahne wie das Parlament am Staatsfeiertag.
Das mit dem Handschütteln
funktioniert aufgrund allgemeiner Koordinationsstörungen in weiten Teilen der
Bevölkerung auch manchmal erst beim dritten Versuch!
Heute feiern die Togolesen
ihr eigentliches neues Jahr. Es ist nämlich so, dass die Afrikaner in der Regel
lieber am Tag feiern als in der Nacht. Auch wenn man davon natürlich in der
Nacht nichts merkt!
Überall auf den Strassen und
am Strand sind Partys und es gilt als Statussymbol sich untertags in den
Kaffees oder Bars beim ausgiebigen Feiern sehen zu lassen.
Da fragt man besser nicht
nach dem Befinden der Leber....
Oder wie der gute Nestroy
einst im Lumpazivagabundus bemerkt hat, Weckts mi wieder auf wann i an Durscht
hob. So läuft das hier.
Von diesen exzessiven Feiergelüsten der Bevölkerung amüsiert ziehe
ich aber dann doch die Stille vor und spiele am Nachmittag mit den Affen die
direkt vor meinem Zimmer ihren Platz haben.
Dienstag, 2. Januar 2007
Heute morgen fahre ich
gleich in die Werkstatt um zu sehen ob jemand die defekte Schraube auftreiben
konnte.
Leider gibt es nirgends
einen passenden Teil und ich muss mir eine aus der Heimat über DHL bestellen.
Zum Glück hat Martin Schmidtmayer, mein Mechaniker, so einen Teil in seiner
Werkstatt und das DHL Packet kann gleich verschickt werden.
In 3 bis 5 Tagen sollte ich
den Teil haben. Dann werde ich die Maschine fertig reparieren und meine Reise
fortsetzen.
Später nehme ich mir noch
ein Taxi und fahre auf die Botschaft von Gabun. Es ist relativ leicht das Visum
zu bekommen und wenn ich Glück habe, kann ich vielleicht sogar das Visum für
Angola hier in Lome bekommen.
Es gibt eine Botschaft hier
und der Botschafter wird ab dem 5. Jänner wieder anwesend sein.
Jetzt sieht die Situation
auf meiner geplanten Route einmal wie folgt aus.
Angola stellt im Moment den
eigentlichen Knackpunkt jeder motorisierten Afrikadurchquerung über die
Westroute dar. Die Botschaften in Libreville/Gabun
sowie in Point Noire/Kongo stellen seit etwa einem
Monat keine Visa mehr für Touristen aus.
Sollte ich das Angolavisum
nicht hier in Lome/Togo oder eben in Abuja/Nigeria bekommen können, habe ich ein Problem.
Das würde bedeuten der
Landweg nach Namibia über Angola wäre geschlossen.
Als Alternative bliebe der
Landweg über die Demokratische Republik Kongo mit über 2000km Pisten über deren
Zustand sowie Versorgungslage niemand Auskunft geben kann.
Das Land hat zwar nun die
ersten friedlichen demokratischen Wahlen in seiner Geschichte erlebt und die
Situation ist militärisch gesehen ruhig, ein großer Teil des Strassen Netzes
sowie der Brücken sind aber nach wie vor durch den langen Krieg zerstört.
Eine andere Möglichkeit wäre
mit dem Schiff von Libreville nach Namibia zu fahren.
Das wäre im Fall des Falles
wahrscheinlich die zu favorisierende Option, hoffen wir aber, dass ich das
Visum für Angola bekomme und meinem ursprünglichen Reiseplan folgen kann.
Mittwoch, 3. Januar 2007
In der Früh gehe ich wieder
laufen und im Laufe des Vormittags fahre ich in die Werkstatt.
Zu tun gibt es hier immer
was.
Heute kommen 2
Motorradfahrer aus Schweden in die Werkstätte von Toni. Sie fahren beide neue
990er KTM Bikes und haben Probleme mit dem schlechten
Sprit. Die Motoren laufen sehr schlecht und die Elektronik kann keine optimale
Einspritzung berechnen.
Als wir den Sprit gegen
Besseren tauschen gehen die Motorräder wieder einwandfrei.
Da habe ich natürlich mit
meinem alten Vergasermotor weniger Probleme mit der Spritqualität.
Am Nachmittag fahre ich ins
größte Hotel der Stadt um dort eine Internetverbindung über WLAN in Verbindung
mit meinem Notebook zu nutzen.
Für sagenhafte 2500CFA gibt
es eine Stunde Internetzugang und just in dem Moment wo ich einsteigen will
bricht das Netz zusammen.
Als ich mich erkundigen will
was los ist höre ich schon die lautstarken Beschwerden der libanesischen Geschäftsleute.
Also heißt es morgen wieder
kommen und hoffen, dass ich dann ein funktionierendes Netz vorfinde. Am Abend
tritt eine lustige Volkstanzgruppe bei Alice auf und es geht wie immer und
überall in Afrika lautstark zu.
Donnerstag, 4. Januar 2007
Heute geht’s zuerst zum
Laufen an den Strand.
Gegen Mittag fahre ich wieder ins Grandhotel um mit
meinem Computer ins Internet einzusteigen.
Eigentlich hätte ich es mir
ja denken können, die Wireless Lan
Verbindung geht immer noch nicht.
Ich beauftrage den
Verantwortlichen die Sache sofort zu reparieren aber seine Versuche scheitern.
Das ist unglaublich, ich
befinde mich hier im besten Hotel des Landes und keiner bringt es fertig eine
Internetverbindung aufzubauen.
Wer hier wirklich auf die
Arbeit am Computer angewiesen ist, ist verloren.
Ich insistiere weiter und
darf dann meinen PC an die Telefonleitung anschließen. Die Verbindung ist zwar
nicht die schnellste, dafür aber stetig und einigermaßen störungsfrei.
Als ich auf die Seite des
österreichischen Außenministerium schaue um mich über Neuigkeiten und
Änderungen in der Sicherheitslage zu informieren, finde ich eine interessante
Meldung.
Es wird extra darauf
hingewiesen, dass die Gegend um das Hotel in dem ich mich gerade befinde
unbedingt zu meiden ist. Aufgrund der hohen Kriminalität.
Freitag, 5. Januar 2007
Heute morgen werde ich durch
lautes Klopfen aufgeweckt. Als ich meine Zimmertüre öffne berichtet mir einer
der Angestellten ganz aufgeregt, dass DHL angerufen hat und mein Packet mit den
Ersatzteilen angekommen ist.
Das ist ja fast unglaublich,
die Lieferung hat nur 36 Stunden gedauert.
Ich fahre ins Stadtzentrum
und hole mir das Packet selber ab.
Am Vormittag fahre ich dann
noch zur Botschaft von Angola. Der Botschafter ist zwar bereits anwesend,
erwartungsgemäß arbeitet er aber heute Freitag nicht. Man versichert mir
jedoch, dass ich am Montag mein Visum bekomme. Das wäre eigentlich fast zu
schön um wahr zu sein, aber warten wir ab.
Zurück in Tonis Werkstatt
verliere ich keine Zeit. Ich baue die defekten Teile vorsichtig aus und ersetze
den Kipphebel sowie die Ventileinstellschraube durch neue.
Danach stelle ich das
Ventilspiel neu ein und die Maschine startet beim ersten Versuch.
Da bin ich wirklich froh,
nach fast zwei Wochen Zwangspause läuft mein Motorrad wieder und sobald ich
meine Visa beisammen habe, kann die Reise weitergehen.
Den Nachmittag verbringe ich
wieder im Hotel Sarakawa, wo das W-Lan
immer noch nicht geht und ich meinen Computer wieder an die Telefonleitung
hänge.
Samstag, 6. Januar 2007
Wenn das Moped wieder läuft,
muss man das natürlich ausnützen. Gleich nach dem Laufen in der Früh setzte ich
mich auf die Maschine und fahre etwas an den Strand
Man muss schon sagen, im
Großraum von Lome hat man ideale Trainingsbedingungen
fürs Geländefahren. Jede Strasse ist leicht bis tief
versandet, es gibt viele mit Weichsand gefüllte Bodenwellen und ein
Kreisverkehr erinnert manchmal sogar an eine Speedwaystrecke.
Auf jeden Fall macht das
Ganze höllisch Spaß und nach rund drei Stunden fahre ich schweißgebadet in die
Herberge zurück.
Sonntag, 7. Januar 2007
Heute fahre ich auf den
Voodoomarkt von Lome. An diesem traditionsreichen Platz
kann man so ziemlich jeden nur erdenkbaren Fetisch kaufen, den man sich
vorstellen kann. Der erste Anschein gleicht freilich dem eines Gruselkabinetts.
An den Marktständen hängen
tote Kobras, Elefantenknochen und Leopardenköpfe.
Nach dem Glauben der
Voodoopriester ist jede Gottheit jeweils mit einem speziellen Opfer zufrieden
zustellen. Während einer Voodoozeremonie wird eine Gottheit angerufen, im Takt
der Trommler fallen die Tänzer, die sogenannte
Medien, in Trance und mit Hilfe von Fetischen wie Gebeinen und Totenschädeln deutet der Priester den Trancezustand der
Tanzenden und kommt so in Kontakt mit den angerufenen Geistern.
Der Voodoopriester hat die
Möglichkeit den Trancezustand zu verlängern oder abzubrechen, ebenso kann er die
Macht des angerufenen Geistes bewusst in eine Richtung lenken. Über das
Trancemedium kann er in die Zukunft sehen, böse Geister vertreiben oder
Krankheiten heilen.
Der Voodooglaube hatte
seinen Ursprung in Benin und ist überall in Westafrika weit verbreitet. Über
den Sklavenhandel gelangte der Voodookult dann nach Amerika und in die Karibik.
Auch heute noch wird das
Leben der jungen wie alten Afrikaner von diesem Naturglauben geprägt. In fast
jedem Dorf gibt es eine Mamisis, eine
Voodoopriesterin. Während unter Expräsident Gnassingbe
Senior Voodoo als Religion nicht anerkannt war, erlangt der Kult nun unter Gnassingbe Junior, seinem Sohn, immer mehr staatliche
Achtung.
Wer durch die Intervention
eines Voodoopriesters Heilung von einer Krankheit erfährt oder wem ein langersehnter Kinderwunsch in Erfüllung geht, ist dem
angerufenen Gott zu ewigen Dank verpflichtet.
Der Priester nimmt darauf
hin wieder Kontakt mit dem Geist auf und fragt nach der gewünschten Opfergabe.
Oft wird eine Statue des
Gottes angefertigt, welche das wundersame Ereignis in irgendeiner Weise
dokumentiert. So ein Hausgott muss dann ein Leben lang durch Opfergaben verehrt
werden.
Der Voodooglaube ist
keinesfalls eine monotheistische Religion wie das Christentum oder der Islam.
In der Voodookultur finden
sich, wie so oft in Afrika, die Einflüsse vieler anderer Religionen und
Kulturen wieder, die im Laufe der Jahrzehnte mit den betreffenden Regionen in
Berührung gekommen sind.. Einige der Voodoogottheiten erinnern an tanzende Shivas, andere wieder an christliche Heilige oder
Islamische Propheten.
Jede andere Gottheit und
jeder neue Geist ist willkommen, solange die Leute glauben, dass er hilft. Im
heutigen Afrika kann man dieses Phänomen natürlich gut aus
marktwirtschaftlicher Sicht erklären.
Was nützt dem Voodoopriester
eine traditionelle Gottheit, wenn ihm die zahlende Kundschaft ausbleibt, weil
die Leute denken, dass sein Kollege im Nachbardorf mit einem neuen und viel
mächtigeren Geist in Verbindung steht.
Wie überall in Afrika ist
eine Tradition dann besonders viel wert, wenn sie auch in mehr oder weniger
direkter Verbindung mit Einkommen, Wohlstand und Lebensqualität steht.
Als ich am Abend wieder in
die Herberge komme sind alle ziemlich aufgeregt. Man erzählt mir von einem
Familienstreit mit tragischem Ausgang. Es wurde im Dorf ein Mann von seinem
eigenen Bruder geköpft!
Der Grund für diese
Wahnsinnstat war ein Erbschaftsstreit. Nachdem der Vater gestorben ist, wollte
der eine Sohn das Land als Baugrund verkaufen während es der Andere lieber
behalten hätte.
Da in so einer Situation
natürlich nicht logisch argumentiert wird nimmt einer der Männer ein
Buschmesser und köpft seinen Bruder auf offener Strasse.
Als die daraufhin alarmierte
Polizei den Mörder festnehmen will kommt sie zu spät. Die Familie hat die Sache
bereits intern geregelt und den anderen Bruder ebenfalls enthauptet.
Als Europäer fällt es sehr
schwer in solch barbarischen Handlungsweisen irgend eine Form von Begründung zu
finden.
Auf der anderen Seite muss
man bedenken, dass das Leben für die meisten Menschen hier rein auf den Moment
bezogen abläuft.
Eine extrem
gegenwartsbezogene Lebensweise ruft aber ihrerseits eine reflexorientierte
Handlungsweise herbei. Ähnlich wie in einem Boxkampf, wo jede Aktion
blitzschnell durch eine entsprechende Reaktion beantwortet wird.
Bezogen auf die
Konfliktkultur der einfachen Afrikaner bedeutet das oft, dass die eigene
Position mit der wirkungsvollsten, gerade zur Verfügung stehenden Maßnahme
verteidigt wird, ohne die möglichen Auswirkungen in Bezug auf die Zukunft zu
überdenken.
Genaugenommen passiert psychologisch gesehen das Gleiche auch in
weiter entwickelten Ländern dieser Welt, die Auswirkungen sind nur oft weniger
dramatisch.
Montag, 8. Januar 07
Heute morgen geht es gleich
auf die Botschaft von Angola. Da das Angolavisum im Moment das am schwierigsten
zu bekommende Einreisedokument in ganz Afrika ist und für mich eine
Verweigerung ein schweres Problem bedeuten würde bin ich etwas aufgeregt. Als
ich in die betreffende Gasse einbiege sehe ich eine riesige Menschentraube vor
mir. Am Boden liegt ein Moped und ein Geländewagen mit deutschem Kennzeichen
steht quer über die Strasse.
Anscheinend war der Deutsche
in einen Unfall verwickelt.
Zum Glück ist der
Mopedlenker nicht verletzt und die Sache geht gut aus.
Ich parke meine Maschine vor
der Botschaft und werde freundlich hereingebeten.
Im Garten befindet sich ein
Tisch mit drei Stühlen und der Botschaftssekretär bittet mich ihm gegenüber
Platz zu nehmen.
Jetzt beginnt das klassische
Pokerspiel. Er eröffnet die Partie und fragt mich nach meinen Reiseabsichten
sowie nach einem Einladungsschreiben. Ich lege darauf mein Empfehlungsschreiben
von Unicef auf den Tisch und sage ihm, dass ich für Unicef unterwegs bin und mich für die Kinder Afrikas
einsetze. An seiner Reaktion merke ich, dass er damit nicht gerechnet hat. Das
nütze ich aus und lege auch ein Email von Unicef
Namibia auf den Tisch, welches bestätigt, dass mich ein Presseteam von der
angolanisch/namibischen Grenze abholen wird.
Darauf denkt er kurz nach
und nimmt alle meine Unterlagen in einer Mappe auf. Wie er langsam einen Zettel
nach dem anderen in seinen Ordner legt, gebe ich ihm eine Reisepasskopie und 4
Passbilder von mir.
Ich sage dazu, dass
Passbilder und Passkopien wichtig sind um die Identität eines Reisenden zu
bestätigen.
Auf diese Feststellung
antwortet er erwartungsgemäß mit ja und ordnet die Fotos in die Mappe ein.
Jetzt ist er am Zug, er
verlangt meinen Reisepass und blättert ihn aufmerksam durch. Beim
Einreisestempel von Togo angekommen legt er den Pass auf den Tisch und sagt,
diese Seite muss kopiert werden. Da es unter afrikanischen Beamten eine übliche
Praktik ist nach Kopien von Papieren zu fragen, wenn sonst alles in Ordnung
ist, habe ich diese Seite schon kopiert vor mir liegen und überreiche sie ihm
sofort. Darauf ist er einigermaßen erstaunt und bittet mich heute um 14 Uhr
wieder zu kommen. Dann ist der Botschafter wieder hier und der muss über das
Ansuchen entscheiden. Er nennt mir ebenfalls den Preis des Visums. 30 US
Dollar, zahlbar nur in US Dollar. Das sollte ja kein Problem werden. Fürs erste
ist die Pokerrunde ja gar nicht so schlecht gelaufen.
Der Antrag wurde nicht
abgelehnt, und ich darf wieder kommen und den Botschafter sprechen. Für Angola
schon ein großer Erfolg.
Als ich um 14 Uhr wieder zur
Botschaft komme, ist der Botschafter tatsächlich anwesend und empfängt mich
auch sofort. Ich erkläre ihm meine Reisabsichten und meine Mission für Unicef. Währenddessen blättert er mein Dossier durch und
betrachtet die Empfehlungsschreiben gegen das Licht, als würde er einen
Geldschein nach seiner Echtheit prüfen.
Als ich mit meinen
Ausführungen über die Schönheit der Landschaft Angolas, die Freundlichkeit der
Menschen und die Vorzüge Afrikas im Allgemeinen zum Ende gekommen bin, sagt er,
dass die Papiere in Ordnung sind, das Ansuchen aber nach Luanda weitergeleitet
werden muss um dessen Wahrhaftigkeit zu überprüfen.
Auch das gehört zum Spiel,
ich versichere ihm, dass meine Absichten ehrenhafter Natur sind und frage wie
wir nun verbleiben.
Darauf sagt er mir, dass ich
nach erfolgter Verifizierung meiner Angaben dann morgen um 10 Uhr meinen
Visumantrag stellen darf. Ich bedanke mich freundlich und verlasse die Botschaft.
Wirklich, um nach Angola einreisen zu dürfen, erlebt man Szenen wie in einem
Spionagefilm. Mittlerweile macht mir die allabendliche Heimfahrt durch den
verrückten Verkehr am Strandboulevard schon jede Menge Spaß.
Dienstag, 9. Januar 07
Heute fahre ich wie bestellt
auf die Botschaft von Angola und treffe den Botschafter.
Er versichert mir, dass er
froh ist mich kennen gelernt zu haben und eröffnet mir, dass mein
Empfehlungsschreiben von Unicef zwar akzeptiert worden
ist, aber das selbige Schreiben an die angolanische Botschaft von Lome gerichtet sein muss.
Das ist auch ein Bild von Afrika, der bürokratische
Dschungel!
Das ist kein Problem, ich
telefoniere mit Unicef Österreich und bekomme das
entsprechend adressierte Schreiben noch am selben Vormittag.
Die Rückfahrt zur Botschaft
verläuft jetzt etwas schwieriger als normal. Der Togolesische Präsident ist aus
seiner Residenz ins Stadtzentrum gefahren und gibt einen großen diplomatischen
Empfang im Regierungspalast. Einige Strassen werden gesperrt und der Verkehr
umgeleitete. Schwerbewaffnete Sicherheitskräfte auf offenen Pickups
richten ihre Maschinengewehre auf die Vorbeifahrenden und an den Straßenrändern
stehen Soldaten. Sogar ein Kriegsschiff hat vor dem Hafen von Lome Stellung bezogen. Sehr vertrauenserweckend
ist die Situation auf jeden Fall nicht.
Als ich das Grandhotel in
Richtung Regierungsviertel passiere springen plötzlich zwei Männer in Zivil auf
die Strasse. Sie tragen Kalashnikovs und deuten mir
an die Seite zu fahren. Ich erschrecke ziemlich, da die Männer keine Uniformen
tragen und ich im ersten Moment an
bewaffnete Straßenräuber denke.
Als ich ihnen sage, dass ich
auf die Botschaft von Angola muss lassen sie mich passieren.
Wie ich mich um 14 Uhr
wieder in der Botschaft einfinde, werde ich schon erwartet. Der freundliche
Sekretär ordnet mein zweites Empfehlungsschreiben in seine Mappe ein und gibt
mir bekannt, dass meinem Visumansuchen stattgegeben wurde. Das bedeutet, dass ich
meinen Antrag stellen darf. Das Problem dabei ist nur, dass die Bearbeitung
zwei Wochen dauert, wie mich der Sekretär sogleich wissen lässt.
Damit habe ich leider
gerechnet und antworte deshalb sofort, dass mein Togovisum schon in 11 Tagen
abläuft und ich deshalb auf gar keinen Fall so lange warten kann.
Darauf erklärt mir der Mann,
dass die Botschaft von Lome meinen Antrag samt
Reisepass erst per Post nach Abuja in Nigeria
schicken muss, dort das Visum in den Pass geklebt wird und dann die Sendung
wieder retour geht. Dieser Prozess dauert in etwa zwei Wochen. Das ist
natürlich in Afrika eine recht dehnbare Angabe.
Ich frage, ob es möglich ist
das Visum selber in Abuja abzuholen. Das würde
ohnehin auf meiner Route liegen.
Darauf ruft der Sekretär den
Botschafter an und der lässt mich wissen, dass er meine Entscheidung versteht
und die Botschaft in Abuja über mein Kommen
informieren wird.
Darauf bitte ich sofort um
ein Empfehlungsschreiben, welches bestätigen kann, dass ich als bereits in Lome akkreditierter Antragsteller meinen Visumantrag in
Nigeria stellen darf.
Man sichert mir zu, mir auf
diesem Weg zu helfen. Ich soll morgen um 9 Uhr wieder kommen. Das ist nun eben
typisch und gehört zum Spiel, pro Tag kann maximal einer Anfrage entsprochen
werden und heute beschäftige ich die Botschaft schon seit der Früh.
Wie gesagt, wenn man
bedenkt, dass ich versuche nach Angola einzureisen, läuft es immer noch gut.
Ich glaube es ist sehr
wichtig diesen bürokratischen Dschungel als Spaß zu sehen, das ist Teil der Reise
und deshalb soll es auch irgendwo die Seele erfreuen, auch wenn viele Dinge
absolut nicht nachvollziehbar sind.
Am Nachmittag gibt’s zur
Belohnung eine Cola in einem Terrassencafe.
Mittwoch, 10. Januar 2007
Heute fahre ich zum 4. Mal
auf die Botschaft von Angola. In der Einfahrt steht der neue BMW des
Botschafters. Offensichtlich ist er gut gelaunt und ich bekommen tatsächlich
das versprochenen Empfehlungsschreiben für die angolanische Botschaft von Abuja.
Ob mir dieses Schreiben dann
in Nigeria wirklich hilft mein Visum zu bekommen könnte aber noch eine
interessante Geschichte werden.
Am Nachmittag versuche ich
bei der Bank etwas Geld mit der Visa abzuheben. Leider scheint die
Telefonverbindung nicht zu funktionieren und ich muss durch die ganze Stadt
fahren, bis ich einen Automaten finde, der funktioniert. Für so eine Sache wie
zum Bankomaten zu fahren, muss man in Lome schon mal zwei bis drei Stunden einrechnen.
Weil heute die Generalprobe
für die große Militärparade am 13. Januar stattfindet sind viele der
Hauptdurchzugstrassen gesperrt. Das Problem löst sich für mich allerdings von
selbst, als ich bei einer der Straßensperren anhalte, fragt mich ein Soldat ob
ich ihn auf der Maschine ein Stück mitnehmen kann. Mit seiner Begleitung kann
ich dann überall ungehindert durchfahren.
Später fahre ich in den
Supermarkt und kaufe ich mir noch eine kleine Kühlbox, die ich auf den
Gepäckträger meiner Maschine schnallen kann. Drinnen ist genau Platz für einen
Wassersack. Mein Wassertransportproblem, welches ich habe seit dem ich auf
einer Piste meinen Kanister verloren habe, ist damit gelöst.
Am Abend tritt bei Chez
Alice eine Musikgruppe aus Liberia auf. Ich schaue kurz zu, gehe dann jedoch
bald schlafen. Mein linkes Ohr hat sich entzündet und mir tun die lauten
Trommelgeräusche weh.
Donnerstag, 11. Januar 07
Als ich heute aufwache, tut
mir mein Ohr immer noch ziemlich weh und ich hoffe, dass es besser wird.
Wahrscheinlich ist etwas Sand hineingekommen und durch Wind und
Luftfeuchtigkeit hat sich eine Entzündung gebildet. Ich beginne gleich mit
einer Behandlung mit Ohrentropfen.
Gegen Nachmittag hat sich
die Entzündung dann etwas gebessert und ich kann laufen gehen. Der Hamatan, der trockene Wüstenwind hat sich wieder gelegt und
das tropische Wetter ist zurückgekehrt.
Es ist zwar extrem heiß,
aber man bekommt wieder Luft ohne das einem die Schleimhäute brennen.
Den Abend verbringe ich mit dem
Schreiben von Berichten in der Herberge. Im Hintergrund spielt leise Musik und
meine Gedanken versuchen viele Erlebnisse und Begegnungen der vergangenen Tage
zu ordnen. Innerhalb weniger Tage und manchmal Stunden passieren so viele
Dinge, die eigentlich kontrastreicher nicht sein können.
Da war kürzlich der Dorfchef
von einem der Nachbardörfer bei Alize zu Gast. Er ist
Doktor und hat nach seinem Studium in Deutschland wieder seinen Weg in die
Heimat gefunden. Mittlerweile hat er in seinem Ort den Status eines Königs und
wird als solcher mit allen Problemen der Dorfbewohner konfrontiert.
Wir führen ein recht
interessantes Gespräch bis spät in die Nacht und er erzählt von den weit
verbreiteten und teilweise erschreckenden
Initiationsritualen an afrikanischen Jugendlichen.
Das wohl leider bekannteste
und traditionell am tiefsten Verwurzelte ist das Ritual der Beschneidung.
Hierbei werden jungen Frauen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren die sichtbaren
Geschlechtsteile entfernt.
Diese grausame Handlung wird
im Laufe einer Zeremonie durchgeführt. Den jungen Mädchen wird dabei mit einem
Stück glühenden Metal, oder wenn nicht anders möglich auch mit einer
Glasscherbe, unter größten Schmerzen der betreffende Körperteil entfernt.
Nach dem Abschluss dieser,
meist unter schlimmsten hygienischen Verhältnissen durchgeführten
Verstümmelung, müssen die Opfer trotz schwerem Blutverlust tanzen bis zum
Eintritt der Bewusstlosigkeit
Laut dem Glauben verlassen
so schändliche Gedanken und Geister den Körper. In einigen Kulturen wird den
Frauen dann zum Abschluss der Initiation das Geschlechtsteil bis zur
Eheschließung zugenäht.
Diese grausame Praktik führt
nicht selten zum Tod und ist heute laut Gesetz in fast allen Westafrikanischen
Staaten verboten.
Trotzdem beträgt die Rate
der beschnittenen Frauen in einigen Kulturen noch weit über 50 Prozent.
Heute verweigern sehr viele
Mädchen dieses Ritual von sich aus, gerade im ländlichen Raum
aber meist ohne Erfolg.
In den kleinen
Dorfstrukturen bedeutet ein Abweichen von den Traditionen auch fast immer einen
Ausstoß aus der Sozialstruktur. Für eine Frau wiederum würde das eine spätere
Heirat so gut wie unmöglich machen und das gilt als größte Schande für die
ganze Familie.
Bis zur Heirat gilt eine
Jugendliche als Eigentum des Vaters, bis sie durch die Heirat dem Ehemann
gehört.
In den islamischen Regionen
darf ein Ehemann bis zu vier Frauen parallel haben, wobei er aber über genügend
Geld verfügen muss um jeder Frau einen eigenen Wohnraum für sie und die Kinder
zu gewährleisten. Auch muss er sich ein System zurechtlegen, in dem er jeder
der Frauen gleich viel Zeit widmet und so seinen ehelichen Pflichten nachkommen
kann.
In der Praxis sieht das
freilich nicht immer so aus, für einen Mann ist es wesentlich leichter sich
scheiden zu lassen und dafür einen Grund vor Gericht zu finden.
Je mehr man über die
Kulturen und Traditionen Afrikas erfährt, desto mehr fühlt man sich mit einem
manchmal erschreckenden Dualismus konfrontiert.
Man möchte eine Situation
nach europäischen Maßstäben beurteilen, schreckt dabei geschockt zurück und
erkennt dann, dass die selbe Situation für afrikanische Verhältnisse
zwangsläufig ist.
Es sei denn, man würde
hunderte Jahre von Traditionen, Naturreligionen und Geisterglauben einfach
ungeschehen machen.
Vieles von dem, das hier und
jetzt passiert ist gut mit unserem Mittelalter zu vergleichen.
Wenn man sich Afrika mit
einer verklärten und romantischen Sichtweise nähert kann man leicht bitter
enttäuscht werden. Das Leben ist nicht in erster Linie ursprünglich und
faszinierend. Es ist viel mehr ein ursprünglicher Kampf um die Existenz, in dem
die Menschen sich oft nur zwischen einem größeren und kleinerem Übel
entscheiden können.
Im Fall der Beschneidung ist
es eben die Entscheidung furchtbare seelische und körperliche Torturen zu
ertragen, und wenn es gut geht sie zu überleben, oder ein Leben lang nie mehr
als Teil der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Eine wirklich einfache und
angenehme Option steht meistens einfach nicht zur Auswahl.
Bis europäische Maßstäbe
gelten, müssen sich eigentlich sämtliche sozialen Strukturen ändern. Das wird
noch sehr lange dauern.
Freitag, 12. Januar 2007
Heute fahre ich auf die
Botschaft von Benin. Ich werde das an Togo grenzende Land auf meinem Weg in Richtung
Süden durchqueren und suche auf der Botschaft um ein Visum an.
Meinem Antrag wird
stattgegeben und ich kann mir meinen Pass am Montag abholen.
Ich gehe dann wieder um die
Mittagszeit für fast zwei Stunden laufen. Mit langer Laufbekleidung. Die Einheimischen
schütteln verständnislos den Kopf über den Weißen, der da freiwillig bei 35
Grad schwitzt. Ich stelle jetzt mein Lauftraining etwas auf Hitzegewöhnung um.
Lome ist rund 500 km vom Equator
entfernt und die nächsten 3000km erwartet mich tropisch heißes und dampfendes
Klima. Mit der vollen Fahrerausrüstung sowie im teilweise harten Pisteneinsatz
wird meine Hitzeverträglichkeit eine entscheidende Rolle spielen. Wenn die
Konzentration nachlässt, kann das sehr gefährlich werden.
Gleich nach dem Laufen setze
ich mich auf die Maschine und fahre zum Geländetraining an den Strand.
Der Flüssigkeitsverlust ist
enorm und nach einer Stunde ist mein Camelback mit 3 Litern leer.
Auf jeden Fall bin ich
nachher recht glücklich mir auf meinem Kocher einen halben Kilo Pasta mit
Zwiebeln, Tunfisch und Barillasauce machen zu können.
Zum Nachtisch gibt’s dann
eine Ananas in der Abendsonne und das Leben ist schön.
Samstag, 13. Januar 2007
Heute geht es nach dem
Lauftraining wieder auf das Motorrad und zum Fahrtraining an den Strand.
Togo feiert heute seinen
Unabhängigkeitstag und auf dem Boulevard des 13. Januars wird eine große
Militärparade abgehalten. Ich schaue kurz im Fernsehen zu und muss belustigt
erkennen, dass die Abnahme der Parade durch den Präsidenten sehr an den Film
„Der große Diktator“ erinnert.
Den Abend verbringe ich mit
Freunden in Rainers Bar. Heute wird ein Boxkampf von Regina Halmich
übertragen. Die Deutsche gewinnt alle zehn Runden klar und die Stimmung ist super.
Man könnte fast meinen, dass Lome heute Abend Halle
an der Saale ist, so viele Fans wie die Regina hier hat.
Die Kinder aus dem Dorf
bitten mich darauf, ihnen die Grundlagen des Boxens beizubringen.
Da habe ich ja morgen ein
lustiges Training vor mir, denn eigentlich habe ich meinen Job als
Kickboxtrainer schon vor vielen Jahren an den Nagel gehängt.
Sonntag, 14. Januar 2007
Heute geht es mit den Jungs
wie versprochen zum Kampfsporttraining an den Strand.
Die halbe Jugend des Dorfes hat
sich bereits versammelt und die Kinder freuen sich als sie mich kommen sehen.
Wir beginnen also mit dem
methodischen Aufbau einer Trainingsstunde. Zum Aufwärmen machen wir Lockerungs und Dehnungsübungen, dann geht’s zum
Technikteil.
Alle sind begeistert bei der
Sache und die große motorische Begabung der Afrikaner wird sofort sichtbar. Es
gibt kaum einen 10 Jährigen der nicht aus dem Stand einen Salto schlagen kann.
Fallschule und Warm Up
Demonstration einer Stockabwehr
Erlernen der Technik
Ja, alles in allem war das
heute ein Sonntag wie daheim. Trainer bleibt eben Trainer.
Montag, 15. Januar 2007
Als ich heute in der Früh aufstehe
sind alle schrecklich aufgeregt. Als ich mich erkundige was passiert ist,
erzählt man mir, dass gerade ein weggelegtes Kind am Strand gefunden wurde.
Es handelt sich um ein etwa
zweijähriges, behindertes Mädchen. In Afrika gelten behinderte Kinder als Schande für die Familie und man
nimmt an, dass in ihnen ein böser Geist wohnt.
Aus diesem Grund passiert es
nicht selten, dass die Kinder irgendwo ausgesetzt oder auch getötet werden.
Besonders schwer ist es
natürlich, für so ein Kind einen Platz zu finden. Es kommt der Doktor und auch
die Polizei, niemand hat jedoch eine Idee, wohin man das Kind geben könnte.
Alle sind sich einig, wenn
es nicht hier gefunden worden wäre, dann wäre es wahrscheinlich bereits tot.
Ich beschließe darauf zu
UNICEF in Lome zu fahren und mich dort zu erkundigen,
wie man in dieser schwierigen Situation vorgehen könnte. Schließlich setze ich
mich mit meiner Reise für die Kinder Afrikas ein und gerade ein spontaner
Notfall ist eine Situation in der man aktiv werden muss.
Bei UNICEF angekommen zeige
ich meine Akkreditierungsschreiben aus Österreich vor und erkläre dem
zuständigen Sekretär für Jugendschutz und Kinderrechte die schwierige
Situation.
Dr. dufhehfiue ist
sogleich bereit mir zu helfen und unterstützt mich mit seiner Intervention. Er
telefoniert mit dem Sozialministerium und fragt nach einer möglichen Stelle für
ein elternloses und behindertes Kind.
In Lome
ist das aber nicht ganz einfach, im Prinzip gibt es keine staatliche
Einrichtung die ein Kind aufnehmen muss oder sehr oft auch kann.
Es gelingt aber trotzdem
noch am selben Tag eine Frau zu finden, die sich bereit erklärt das Kind in
ihre Familie aufzunehmen.
Ich bin darüber sehr
glücklich, und freue mich auch besonders über die tolle Unterstützung von
UNICEF Lome, auch wenn ich nicht offiziell zu Besuch
war.
Dienstag, 16 Januar 2007
Aufgrund des ereignisreichen
gestrigen Tages komme ich erst heute dazu, mir mein Visum für Benin abzuholen.
Somit bin ich abreisebereit
und werde innerhalb der nächsten Tage meine Reise fortsetzen.
Am Nachmittag gehe ich dann
gemütlich laufen und trainiere etwas mit der vollbeladenen
Maschine am Strand.
Mittwoch, 17, Januar 2007
Den heutigen Tag verbringe
ich mit Reisevorbereitungen. Die Maschine wird beladen, die Lebensmittel und Wasservorräte
werden aufgefüllt und der Motor noch einmal überprüft.
Donnerstag, 18. Januar 2007
Heute morgen verabschiede
ich mich schweren Herzens von den Freunden aus der
Herberge und natürlich von
Alice.
Nach nun 3 Wochen Feiertags
und Pannenpause habe ich alle sehr ins Herz geschlossen und bin fast ein
bisschen traurig, dass es nun Zeit zum Verabschieden ist.
Die nächste Zeit werde ich
allerdings nicht alleine unterwegs sein. Ich werde mit Taco
reisen. Taco ist ein Holländer und mit seiner Honda
Afrika Twin ebenfalls auf den Weg nach Cape Town. Wir
verstehen uns gut und beschließen mal ein Stück gemeinsam zu fahren.
Wir verlassen heute Togo bei
wunderschönem Wetter und fahren über die Grenze nach Benin.